Vielleicht ist dir die Spukgeschichte von Bloody Mary schon in Filmen oder Computerspielen begegnet. Serien wie Charmed, Supernatural und Ghost Whisperer nehmen beispielsweise Bezug auf die Bloody-Mary-Legende, die besonders in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien bekannt ist. Auch in Schweden gibt es eine ähnliche Figur, die als Svarta Madame bezeichnet wird. Bloody Mary soll in Spiegeln (vor allem in Badezimmerspiegeln) wohnen und dort auch vor allem pubertären Mädchen erscheinen. Sie selbst wird als rachsüchtiger Geist einer jungen Frau gesehen und oft mit blutüberströmten Gesicht dargestellt. In manchen Varianten sehen ihre Beschwörer nicht ihr Gesicht, sondern eine blutige Version des eigenen.
Im Beschwörungsritual erscheint Bloody Mary angeblich Einzelpersonen oder Gruppen, die sie durch wiederholtes Singen oder Rufen ihres Namens vor einen Spiegel, der in einem schwach beleuchteten oder von Kerzen beleuchteten Raum aufgestellt ist, herbei rufen. Die Überlieferung besagt, dass die Erscheinung die Beschwörer anschreien, verfluchen erwürgen kann. In manchen Versionen stiehlt sie auch die Seele ihrer Opfer, trinkt ihr Blut oder kratzt ihnen die Augen aus. In einer älteren, wesentlich harmloseren Version können junge Frauen so einen Blick auf ihren zukünftigen Ehemann erhaschen. Oder sie sehen einen Totenschädel, wenn sie unverheiratet sterben werden. Auch das zeigt eine zutiefst sexistische Grundhaltung der Gesellschaft. Eine Frau hat nur als Mutter und Ehefrau einen Sinn in ihrem Leben gefunden.
Bloody Mary, Menstruation und Selbsterkenntnis
Die Sage wird offensichtlich von Pubertätsängsten gespeist. Bemerkenswert ist, wie eng sie mit Spiegeln verknüpft ist. Das eigene Äußere wird in der Pubertät oft zu dem Aufhänger, um Veränderungen an sich zu bemerken und an ihnen zu leiden. Viele Teenager verbringen Stunden vor Spiegeln, um sich ihrer Körperlichkeit bewusst zu werden. Aber auch, weil sie an gängigen Schönheitsidealen leiden. Die Bedeutung von Blut für die Legende und die Tatsache, dass sich vor allem weibliche Teenager von dem Ritual angesprochen fühlen, hat Wissenschaftler, Folkloristen und Publizisten wie zum Beispiel Linda S. Watts zur These veranlasst, dass die Sage aus Menstruationsängsten heraus entstanden ist. Oft wird das Ritual als Mutprobe durchgeführt. Es kann so als Hilfsmittel angesehen werden, zu dem Mädchen greifen, um mit psychischen Herausforderungen umzugehen.
Die typischen Ängste vor Menstruation und körperlichen Veränderungen während der Pubertät verweisen aber auch auf das erschreckend negative gesellschaftliche Bild von Menstruation und Weiblichkeit. Wollen wir in einer solchen Gesellschaft leben? Wollen wir, dass unsere Schwestern, Töchter, Nichten, Cousinen usw. in einer Gesellschaft aufwachsen, in der eine natürliche körperliche Veränderung zur Gruselgeschichte stilisiert wird? Nein, ganz sicher nicht. Die Dekonstruktion von Stigma und Geschlechterstereotypen geht uns alle an! Menstruation sollte kein Monster sein, dass man mit Ritualen kontrollieren kann, sondern Alltag! Dafür steht die Bloody Mary auf dieser Seite. Sie blutet kämpferisch, emanzipiert und ist alles andere als ein stummer Geist im Spiegel!